Clemens Tschurtschenthaler (*1988 in Meran, IT) lebt und arbeitet in Wien wo er 2021 sein Studium der Medienkunst an der Universität für angewandte Kunst abschloss. Einzelausstellungen unter anderem 2024, LIMBUS im Display Parma (IT); 2023, Nature Is Mental im Cache Wien, (AT); 2022, Café Memoriam im Ve.Sch Kunstverein Wien (AT); 2021, INVERSO im DWDS Bregenz (AT). Sowie ausgewählte Gruppenausstellungen unter anderem 2023, speculare im Eck Museum of Art Bruneck (IT); 2021, building the barn im Kunstverein Schattendorf (AT); 2019, set_of_invalid_context im LLLLLL Verein für Kunst Wien (AT). 2022 wurde ihm der Kunstförderpreis der Raiffeisen Landesbank Südtirol verliehen.
Clemens Tschurtschenthalers Praxis ist von einem stark transmedialen Ansatz geprägt. Er arbeitet sowohl mit Objekt und kinetischer Skulptur als auch mit immateriellen Medien wie Sound und Video, die er in raumgreifenden Installationen arrangiert. Die Schwelle zwischen Ego und Gruppe – dem Selbst und der Umgebung – bildet die Basis für die Formulierung seiner eigenen skulpturalen Sprache die zwischen Gegenwärtigem und Vergangenem sowie physischer und immaterieller Präsenz oszilliert. Die Dualität von Natürlichem und Artifiziellem – Materialbezüge zu Urbanität und Natur – sind zentrale Elemente in Tschurtschenthalers Arbeit. Er konstruiert Realitäten die innere psychologische Welten ins Außen übersetzen.
Clemens Tschurtschenthaler
See You When I See You (Akt II)
Jeder Rausch ist eine Einladung in den Limbus – in den Ort im Dazwischen. Zwischen Genie und Psychose, Vergangenheit und Zukunft. »To die«, war die Antwort von Pop-Ikone Lady Gaga, als sie 2022 in einem Interview gefragt wurde, was sie tun würde, »if you could do something dangerous just once without risk?«. In See You When I See You (Akt II) widmet sich Clemens Tschurtschenthaler der Faszination für die rituellen und religiösen Übergänge von Lebensphasen und Bewusstseinszuständen. Hierfür reproduziert er die immersive Kraft von Sakralarchitektur und ihren Symbolen sowie der anarchischen Energie des Trance. Die dämmrig ausgeleuchtete Rauminstallation schafft einen Ort, an dem die Ambivalenzen zwischen legitimen Kontrollverlust und Ordnungstrukturen verhandelt werden und in dem das Gegenüber mit den narrativen Skulpturen Tschurtschenthalers konfrontiert wird. Während »Raum« ein neutrales, dreidimensionales Kontinuum ist, ist ein »Ort« ein spezifischer Standort, der mit kultureller oder sozialer Bedeutung
verbunden ist.
Die durch die Arbeiten ausgelösten, sinnlichen Eindrücke verstärken Wahrnehmungsmuster, die durch die Erfahrung des Loops geprägt sind. Dieser ist längst zu einem Symptom der Gegenwart geworden, die sich in permanenter Wiederholung selbst betrachtet. Schon in rituellen Kulturen der Antike und in sakralen Praktiken vieler Religionen diente die Wiederholung als Mittel der Transzendenz, der Selbstauflösung im Rhythmus. Entlang der fließenden Grenze von Original, Kopie, Kommentar und Referenz verhandeln die gezeigten Arbeiten Themen wie Begehren, Versuchung, Melancholie und Sehnsucht in Endlosschleife. Die kinetische Skulptur fontana (Rausch) (2025) kombiniert Elemente griechischer Tempelarchitektur, konstruiert aus MDF, florale Komponenten und die Symbolik des Wassers, das seit jeher als Sinnbild der Transformation gilt. Während eine Wasserschale langsam auf einem Podest rotiert, verharrt das Wasser scheinbar bewegungslos und losgelöst von der Szenerie. Gegenüber erhebt sich wie ein Altar die Soundsystem-Installation Tracklist, TypeBeat, Monument (2025). Gemeinsam mit den Kompositionen Lamento, Portal und Im Nebel (2025) wird die Installation Limbus (2024) weiterentwickelt und die berauschende Kraft des Klangs betont. In strenger Monotonie wiederholen sich die Stücke täglich in getakteten Abständen.
Im digitalen Zeitalter ist der Loop das ästhetische Prinzip einer Epoche, in der Fortschritt zur Simulation geworden ist. Waren Loops in Form von Samples noch bahnbrechende Neuheiten auf dem Feld der Musikproduktion und entscheidend für die Entstehung von Hip Hop und Techno, erkannten postmoderne Denker wie Jean Baudrillard, Gilles Deleuze und Mark Fisher in der permanenten Wiederholung ästhetischer Trends bereits ein Symptom des Stillstands. Der Loop, einst Werkzeug kollektiver Trance, ist zum Spiegel einer erschöpften Moderne geworden, die sich endlos um ihr eigenes Bild dreht. Wie eingefrorene Filmstills verweisen die vier Tondi (Reins, Swarm, Dog Race, Shepherd) (2025) auf das uneingelöste Potenzial kollektiver Bewegung. Der Ausstellungsraum wird zur Zeitkapsel, der White Cube zur Endlosschleife der Erfahrung – ein Ort, an dem die kulturelle Geschichte des Loops von ritueller Ekstase bis zu sinnentleerter Wiederholung in skulpturale Präsenz überführt wird.
Text und Kuration: Anne Zühlke
Erffnung:
Donnerstag, 06.11.2025, 20 Uhr
Ausstellungsdauer:
07.11.-27.12.2025
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag,
Sonn- und Feiertag
von 15-18 Uhr
Kuratiert von Anne Zühlke
© Fotos: Clemens Tschurtschenthaler/Christa Engstler/allerArt Bludenz