Emmanuel Troy: Iterationen des Ortes
Alle Arbeiten in der Ausstellung entstanden während des Sommers 2025 in Schwarzenberg, Bregenzerwald.
Die Malerei wechselt zwischen direkten Begegnungen mit der Landschaft und erfundenen Szenen, die am Rande der Fiktion schweben. Landschaft ist hier kein festes Genre, sondern ein sich wandelndes Feld. Manchmal hält sie einen bestimmten Ort fest. Manchmal fügt sie Fragmente zu imaginären Ansichten zusammen. Manchmal wiederholt sie sogar Bilder innerhalb der Ausstellung selbst. Auf diese Weise reflektieren die Arbeiten die Tradition und eröffnen gleichzeitig neue Möglichkeiten für das, was Landschaft sein kann.
Beim Betreten des Raumes werden wir sofort mit einer großen, monochromatischen Malerei konfrontiert, die eine ganze Wand einnimmt. Wir können das Bild fast nicht als Ganzes auf einmal erfassen. Stattdessen umgibt es uns und zieht uns hinein. Der Maßstab erinnert an eine Tapete, während der Trompe-l'œil-Effekt eine Art Fenster in ein vertrautes Terrain öffnet. Das Werk besteht aus Schichten von Lehm und Wasser, die ihm seine charakteristische Farbe und Ausstrahlung verleiht. Über diese Schichten hinweg erscheint und verschwindet langsam eine Berglandschaft. Hügel, Häusergruppen oder Spuren von alpinem Terrain scheinen aufzutauchen, um dann wieder zu verschwinden. Hügel, Häusergruppen oder Spuren alpinen Geländes scheinen hervorzutreten, um dann wieder zu entgleiten. Das Bild weigert sich, sich in einem bestimmten Jahrzehnt oder Moment der Zeit festzusetzen. Seine reduzierte Farbpalette lässt Raum für unsere Projektionen von Farbe, Atmosphäre, Erwartung und Erinnerung.
Im Gegensatz dazu zeigen die Arbeiten ohne Titel (ET-P032_1) und ohne Titel (ET-P032_2) einen konkreten Ort im Bregenzerwald. Das eine wurde vor Ort gemalt, das andere später im Atelier, wobei es das Erste wiederholt. Ihre Nähe erinnert an die Praxis der alten Meister, für die die Wiederholung keine bloße Nachahmung war, sondern ein Mittel zur Schulung von Auge und Hand. Wenn man die beiden Werke betrachtet, ist es unklar, welches zuerst entstanden ist. Sie sind fast identisch, und doch ist jedes anders. Erst wenn man sie zusammen sieht, bemerkt man, wie Licht und Zeit die Stimmung der Szene verändern, wie das Gleiche immer wieder neu wahrgenommen werden kann.
Dieser Dialog mit der Tradition setzt sich in Emmanuel Troys Studie zu einem Gemälde von Arnold Böcklin fort. Indem er Böcklins Komposition in seine eigene Sprache übersetzt, verändert Troy sie unweigerlich. Einige Details verschwinden, andere tauchen auf, und die Stimmung verschiebt sich. Böcklins allegorische Landschaft erhält ein neues Licht und eine neue materielle Präsenz. Was als Recherche beginnt, entwickelt sich zu einer Wiederbelebung und einem Dialog über die Zeit hinweg. Eine vergleichbare Geste zeigt sich im Werk ohne Titel (ET-P031_2), das die en plein air entstandene Vorlage im Atelier erneut aufgreift. Welche Unterschiede zwischen beiden Arbeiten bestehen, bleibt der Spekulation der Betrachtenden überlassen.
Troy konzentriert sich auf den Akt des Malens selbst durch die Prozesse der Spiegelung und Neuinterpretation und löst damit die Autorität des „Originals“ mit auf. Was bleibt, ist ein Wechselspiel von Erinnerung und Erfindung. Indem er das Reale mit dem Imaginären verschmilzt, lenkt er unsere Aufmerksamkeit weg von den tatsächlichen Gegebenheiten einer Umgebung und hin zum Bild selbst, das die Sinne anspricht. Die Landschaft ist kein Selbstzweck, sie dient vielmehr als Bühne für das Zusammentreffen von Wahrnehmung und Fantasie.
Emmanuel Troy ist 1993 geboren, in Egg aufgewachsen und lebt und arbeitet in Wien und Schwarzenberg. Er studierte Malerei an der Akademie der Bildenden Künste und Bildhauerei an der Universität für Angewandte Kunst Wien, wo er 2019 sein Diplom bei Hans Schabus absolvierte. Seine Arbeiten wurden international ausgestellt, unter anderem in Paris, Basel, New York, Berlin, Istanbul und Toronto. 2019 erhielt er das 5x5-Stipendium vom Land Vorarlberg und lebte für Arbeits- und Studienaufenthalte in New York. Im Rahmen einer Kunst am Bau Ausschreibung wurde er für seinen Entwurf mit der Umsetzung einer Skulptur am neuen Egger Dorfplatz beauftragt.
(Text: Simeon Brugger, Kurator)
Eröffnung:
Donnerstag, 11.09.2025, 20 Uhr
Ausstellungsdauer:
12.09.-25.10.2025
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Samstag,
Sonn- und Feiertag
von 15-18 Uhr
Kuratiert von Simeon Brugger
© Fotos: Christa Engstler
Emmanuel Troy: Iterations of Place
All of the works in the exhibition were painted during the summer of 2025 in Schwarzenberg, Bregenzerwald.
The paintings shift between direct encounters with the landscape and invented scenes that hover on the edge of fiction. Landscape here is not a fixed genre but a shifting field. Sometimes it captures a specific site. Sometimes it assembles fragments into imagined views. Sometimes it even repeats images within the exhibition itself. In this way, the paintings reflect on tradition while opening up new possibilities for what landscape can be.
Upon entering the space, a large, monochromatic painting spanning an entire wall immediately confronts us. We cannot see it all at once. Instead, it surrounds us, pulling us in. The scale recalls wallpaper, while the trompe-l’œil effect opens a kind of window into a familiar terrain. The painting is made from layers of a clay-pigment wash, which provides it its distinctive color and aura. Across these layers, a mountain landscape slowly appears and disappears. Hills, clusters of houses, or traces of alpine terrain seem to emerge but then slip away again. The image refuses to settle in one distinct decade or a moment in time. Its reduced palette leaves space for our projection of color, atmosphere, expectation, and memory.
In contrast, the works, untitled (ET-P032_1) and untitled (ET-P032_2), depict a specific place in the Bregenzerwald. One was painted on-site, and the other was painted later in the studio, repeating the first. Their closeness recalls the practice of the old masters, for whom repetition was not mere imitation but a way to train the eye and the hand. Examining the two works, it is unclear which one came first. They are almost identical, yet each is different. Only by seeing them together do we notice how light and time alter the mood of the scene, how the same can be perceived in new ways again and again.
This dialogue with tradition continues in Emmanuel Troy’s study of a painting by Arnold Böcklin. By translating Böcklin’s composition into his own language, Troy inevitably changes it. Some details disappear, while others emerge, and the mood shifts. Böcklin's allegorical landscape takes on a new light and material presence. What begins as research evolves into reanimation and a dialogue across time. A similar gesture is found in untitled (ET-P031_2), which repeats a painting created en plein air in the studio, and we are only allowed to speculate on the differences between the two.
Troy focuses on the act of painting itself through the processes of mirroring and reinterpretation, thereby dissolving the authority of the "original" along with it. What remains is an interplay of memory and invention. By merging the real and the imaginary, he draws our attention away from the actualities of an environment and toward the painting itself that speaks to the senses. Landscape is not an end in itself; rather, it serves as a stage for the convergence of perception and fantasy.
(Text: Simeon Brugger, Curator)